66° 33′ 55″ Nördliche Breite

Eine Polartaufe auf See ist immer etwas Besonders. Als Passagier braucht man sich da keine zu grossen Sorgen machen. Als Crewmitglied sieht das schon ganz anders aus. Besonders die Äquatortaufe ist immer eklig! Alles-mögliche-mit-Fisch, Essensreste, eine widerwärtige Sosse und töpfeweise Gammeliges. Das muss man über sich ergehen lassen, Einschliessen ist nicht (jede Kabine bekommt man auf), und ausserdem wird´s dann nur noch schlimmer. An sich aber ist es sehr unterhaltsam und lustig. Am Ende landen alle in einem Planschbecken oder im Pool, welcher danach dann erstmal eine Extrem-Reinigung braucht. Zumindest ist es immer schön warm.

Zum Glück bin ich bereits äquatorgetauft und besser hat man sein Seemannsbuch dabei, um das zu beweisen. Ein Zertifikat bekommt man natürlich auch. Dann kann man nur noch auf die Kollegen hoffen, dass die und Neptun nicht meinen, man müsse trotzdem.

Bei der Polartaufe ist die Sache anders, weil es da gemeinhin aasig kalt ist, im Gegensatz zum Äquator. Auf meinen Fahrten im Süden, in der Antarktis, gab es einen Umtrunk an Deck für Passagiere und Crew zur Feier dieses wirklich seltenen Ereignisses. Im ersten Jahr 2002 hatten wir es gar lassen müssen, denn es war zuviel Eis in der Gegend und wir konnten nicht bis auf den 66. Breitengrad runterkommen mit dem Schiff. Eine Enttäuschung besonders für den Kapitän, der danach in den Ruhestand ging.

Jetzt also der nördliche Polarkreis! An sich war ich mir ganz sicher, dass ich auch das längst hinter mir hatte. Aber nicht nur, dass meine Kollegin meinte, ich müsse auf jeden Fall mitmachen. Ich stellte bei genauem Blick auf den Globus fest, dass ich damals 1998 zwar im hohen Norden war, zwischen Kamchatka und den Aleuten, wo auch ordentlich Schnee lag, wir aber eben genau wegen dieses Wetters gar nicht unserer Route folgen konnten. Hier war es etwas einschneidender in den Fahrplan als in der Antarktis, wo wir eh nur einen Versuch machten (ich muss mal die Bilder raussuchen…), denn der Weg war einfach komplett zugefroren und wir mussten mehrere Tage alternativ weiter südlich verbringen.

polartaufe polarkreis vagamundo361
Achtung! Neptun erscheint! Ehrfürchtig treten wir zur Seite.
polartaufe polarkreis vagamundo361
Die erste Passagierin wird wirklich überrascht. Sie ist die Gewinnerin, die die Uhrzeit, zu der wir exakt den Polarkreis erreichen würden am Morgen, am besten vorhergesagt hat. Dafür gibt es als Geschenk die eine signierte Schiffsflagge!

polartaufe polarkreis vagamundo361

polartaufe polarkreis vagamundo361
… und dann bin ich auch schon dran. Iiiiiiiih, ist das kalt! Und lustig.

Hier im Norden in Norwegen lief aber alles glatt. Die Hurtigruten Schiffe fahren ja täglich hin und her über den Polarkreis. Und pro Reise, Ihr ahnt es schon, muss man diesen 2x überqueren.

Immerhin bekam ich den Tipp etwas anzuziehen, dass schnell trocknet und ich nicht sofort brauchen würde an Kleidung. So erschien ich vormittags im Trainings Outfit und harrte dem, was mit mir passieren würde.

Kapitän und Hotelmanager kamen auf Deck und folgten Neptun, der uns vorlas, was uns bevorstand bzw. wozu wir angetreten waren.

Dann wurde auch schon das Eis über uns geschüttet. Mal mehr, mal weniger, auf jeden Fall Eis-kalt. Obacht, besser früher als später, denn wenn gegen Ende hin nur noch Eis-Wasser im Pott ist, wird es noch unangenehmer!

polartaufe polarkreis vagamundo361
Wie kommt das Wasser bis nach da vorne? Ich seh aus…

 

Auf dem Rückweg, wenige Tage später, hab es eine andere Prozedur: Antreten zum Lebertran fassen. Das erinnerte mich an meine Kindheit. Es gab eher selten leckeren orangen Multisanostol. Meine Mutter hatte so einen übelschmeckenden beigen Lebertran. Nun weiss ich, wie gut der schmeckte im Gegensatz zu dem, was wir in Norwegen bekamen. Kennt Ihr diese Omega 3 Kapseln, “aus frischer Dorschleber”? Schon mal draufgebissen? Oder nachher vom Magen her dran erinnert worden? Wir bekamen ihn pur. Und hey, in Norwegen ist das ganz normal. In der Mannschaftsmesse lagen die Kapseln immer aus und wurden eingenommen.

polartaufe polarkreis vagamundo361
Lebertran Ausgabe vom Kapitän höchstpersönlich, das lässt man sich ja nicht entgehen!
polartaufe polarkreis vagamundo361
Schöne Souvenirs der “erlittenen Qualen” 😉 – und ich bleibe länger gesund.

Es schmeckt mir nicht. Aber wenn ich überzeugt wäre, dass es meiner Gesundheit wirklich vernehmlich gut tut, würde ich nochmal drüber nachdenken…

Zudem musste ich natürlich auch zweimal ran.

Was dann auch zu diesen zwei schönen Souvenirs führte. Obacht: nicht einfach in die Jackentasche stecken nach dem Löffeln! Sonst müffelt die nämlich auch nach Fisch… In eine Serviette/Taschentuch einwickeln und auf der Kabine gut abspülen. Jetzt ist es eine schöne Erinnerung. Und sollte ich jemals wieder Lebertran zu mir nehmen wollen zuhause, dann nur hiermit.

 

Während ich gerade beginne diesen Artikel zu schreiben überlege ich mir, wie es wohl ist, wenn man den Äquator oder den Polarkreis an Land überquert? Gibt es da ähnliche Rituale? Habt Ihr sowas schon mal erlebt? Wär doch eigentlich auch witzig! Geschäftsidee: Polartaufe an Land. Buden, so wie ein Grenzübergang, in denen man sich taufen lassen kann. Herrliche Vorstellung.

Eismeerkathedrale in Tromsö
Am Nordkap im dunklen Winter
Meine Polartaufe – in der Arktis!
Markiert in:                     

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert